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zweihundertzweiundzwanzigtausend.

- 222000 km hat er runter.
- An der Fahrertür einen dicken Lackschaden.
- Vorne eine Beule vom Knutschen eines Peugeots.
- Hinten eine Beule vom Kuss eines Minis.
- Schweller links voller Rost.
- Das Schiebedach lässt sich nicht mehr öffnen.
- Die Heizung geht entweder gar nicht oder nur auf voller Stufe.
- Er hat noch TÜV bis März 2008.

Ich entschließe mich: Es ist Zeit, den Linus abzugeben.

* * * Vernunftbegabte Menschen lesen ab hier besser nicht weiter. * * *

Heute morgen krame ich also die diversen Visitenkarten verschiedener Alt- und Unfall-PKW-Aufkäufer, die ich über das letzte halbe Jahr am Linus angesteckt gefunden haben, aus meiner Tasche und wähle die Nummer der Karte, deren "Grafik" am wenigsten augenkrebserzeugend ist.

Es meldet sich ein gut gelaunter junger Mann, dem ich kurz den Linus'schen Zustand ohne große Schönrednerei beschreibe.
Er ist nicht gerade hoch erfreut, sichert mir aber einen Betrag von 100 bis 150€ zu, genaueres könne er bei der Begutachtung sagen.
Wir machen einen Termin für 14:00 Uhr.

Ich lege auf und schlucke. Kein schönes Gefühl.

"Nein Rebella," ermahne ich mich selbst, "denk an Deine Jahres-Endabrechnung, denk an Deine Schulden, denk dran, was der Linus Dich bis März noch kosten könnte."
Ich schlucke nochmal und suche dann eine große Tasche und ein paar Putz-Utensilien zusammen, um den Linus zu entrümplen und übergabefertig zu machen.

Auf dem Weg zu Linus' Parkplatz schlägt mir das Herz bis zum Hals. Ich fühle mich wie eine Verräterin.
Der Linus ist schließlich mein persönliches Symbol dafür, mich selbst - auch aus dem fiesesten Sumpf - mit eigener Kraft herausziehen zu können und, komme was wolle, mir selbst treu zu bleiben.
Ich weiß: Klingt kitschig. Ist aber so.

Endlich am Linus angekommen, beschließe ich, zuerst die Fahrt zur Waschanlage zu machen und auf dortigem Parkplatz die Entrümpelung vorzunehmen.
Ich steige ein, stecke das Bedienteil des Radios auf und starte den Wagen. Bereits beim Ausparken schießen mir die ersten Tränen in die Augen.
Halb blind fahre ich zur Waschanlage und überlege krampfhaft, ob ich noch genug Klebeband dabei habe, um wie immer die hintere Nummernschildbeleuchtung für den Waschvorgang festzumachen, da diese sich nur noch an einem, einsamen Plastiknüppel festkrallt und beim Waschen immer etwas Unterstützung braucht: - The same procedure as every Month, Miss Doe. -
Was wohl der Käufer dazu sagen wird?
Ich stelle mir das Stirnrunzeln und die zu erwartende, dumme Bemerkung des Linus-Besitzers in Spe ein bisschen zu bildhaft vor und heule letztlich wie ein Schlosshund, als ich auf dem Parkplatz der Waschanlage ankomme.

Ich kann nicht aussteigen und das Waschticket kaufen, es geht einfach nicht.
Also bleibe ich im Linus sitzen, höre Musik und rauche drei Zigaretten hintereinander, bis mir schlecht ist.

Anschließend fahre ich - ohne Waschticket - wieder zurück nach Hause, stelle den Linus ab, nehme nur die Tasche mit den Putzuntensilien, ein paar leere Getränkeflaschen und anderen Müll mit ins rebellsche Nest und rufe den Käufer an, um den Termin abzusagen.
Dieser lacht herzlich, als ich ihm mitteile, dass ich es einfach nicht übers Herz brächte und sagt nur: "Mädchen, Mädchen... ist doch immer das gleiche mit Euch."
Er sichert mir zu, dass er den Linus im März, auch ohne TÜV, noch nehmen würde (dann natürlich für weniger Geld), wünscht mir weiterhin gute Fahrt und ich solle mich einfach nochmal melden.

Ich lege auf und grinse.
In mir schreit alles "JAAAAA!" und "JAAAAAAA!" schreibt auch die S., als ich ihr meine Unvernunftsaktion in den Messenger ticker. - Sie hätte es ja gewusst!

Vom letzten Geld (die 100-150€ Vom Linus-Erlös wären eigentlich lebensnotwendig gewesen) mache ich einen Mini-Einkauf, der jetzt eben - irgendwie - für ein paar Tage reichen MUSS, gehe auf dem Rückweg vom Supermarkt nochmal am Linus vorbei und tätschle ihm lächelnd den dreckigen und verbeulten Hintern.

Ich bin unvernünftig.
Ich bin viel zu sentimental.
Ich habe sie nicht mehr alle.

Aber den Linus, den habe ich noch.
Wenigstens für eine kleine Weile.


 
 [Dings,aller.]
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(6 Kommentare)  
Dein Kommentar   



monolog  

Recht so. Seinen Linus gibt man nicht einfach mal her.
(Und schön, auch mal wieder was von dir zu lesen, Liebelein!).
Ich hab wirklich hart mit mir gerungen, aber es ging ehrlich nicht anders.
(Schön auch zu wissen, wo Du jetzt steckst, hatte eh 'ne Mail für Dich im Anschlag, geht dann gleich raus...)



novesia  

Ich gratuliere. Euch beiden. :-)
Dankeschön. Von uns beiden.

(Hat mal jemand 'n paar Euro für Sprit? *grien*)


novesia  
Meine göttliche Schwester hat mir zu Weihnachten einen Kanister voll mit Sprit geschenkt. Eine der coolsten Gaben, die ich je erhalten habe (jetzt riecht die ganze Bude nach Benzin).

Mag der Linus Normalbenzin?
Der Linus süppelt Super, da lässt er nicht mit sich diskutieren.

Die göttliche Schwester mit dem ebenso göttlichen Geschenk war dings,aller hier der erste Lacher des Tages.
Dafür vielen Dank!

Gnihi.

*kichernd ab*






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